Scheue Katzen eingewöhnen
Katzenkinder eingewöhnen
Wilde Katzen, das sind natürlich keine Wildkatzen, sondern verwilderte Hauskatzen, die entlaufen sind, ausgesetzt oder gar “draußen” geboren wurden und die nun als Einzelgänger oder in kleinen oder großen Sippen ein meist armseliges Dasein fristen. Katzen- bzw. Tierschutzvereine bemühen sich, durch Kastration der erwachsenen Tiere die Vermehrung einzudämmen und den Katzenkindern durch Vermittlung ein glücklicheres und sorgenfreies Leben zu gewähren. Und es ist gar nicht ungewöhnlich, dass aus einer wild geborenen Katze ein zutraulicher Stubentiger wird.
Sie dürfen nie vergessen, dass diese Katzen mit Menschen meist sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben und verwilderte Katzenmütter ihre Vorsicht im Umgang mit Menschen auch an ihre wild geborenen Kätzchen weitergeben.
Deshalb hilft bei der Eingewöhnung eines kleinen Wildlings vor allem Ruhe, unendliche Geduld und freundlich-zurückhaltende Zuneigung.
Bedenken Sie, dass eine wilde Katze noch nie eine Toilettenspülung, einen lärmenden Fernseher, schepperndes Geschirr oder eine schleudernde Waschmaschine gehört hat.
Kleine Katzen sind meist recht unkompliziert einzugewöhnen und können sogar als reine Wohnungskatzen gehalten werden. Sie sollten dann allerdings so früh wie möglich ins Haus genommen werden, ausnahmsweise bereits mit sechs bis acht Wochen, also noch während der ersten Prägephase, wenn sie schon alleine fressen können. Je älter die “jungen Wilden” sind, desto mehr Geduld ist üblicherweise nötig.
Geben Sie zunächst nur einenRaum für die kleinen Wildlinge frei, am besten einen, den Sie selbst häufig nutzen, etwa die Küche oder das Wohnzimmer. Alle gefährlich erscheinenden Verstecke und Schlupflöcher müssen sorgfältig verbarrikadiert werden, damit Sie nicht Herd, Kühlschrank oder Schrankwand abbauen müssen, um die kleine, panische Katze aus einer Falle zu retten. Trotzdem muss mindestens eine geschützte und bequeme Rückzugsmöglichkeit angeboten werden, z.B. ein mit Einstiegsloch und Decke versehener Karton, ein gepolsterter Transportkorb mit ausgebauter Tür oder ein ähnliches Versteck, das in einer ruhigen Ecke etwa unter der Eckbank oder neben bzw. hinter dem Sofa steht. In der Nähe dieses Verstecks sollte auch das Futterschälchen, eine Wasserschüssel und vor allem die Katzentoilette (für kleine Katzen mit flachem Einstieg) untergebracht werden. Wenn ein kleines Kätzchen noch kein Katzenstreu kennen gelernt hat, kann Einstreu aus Spielsand oder Blumenerde die Umgewöhnung vereinfachen.
In den ersten Tagen, vielleicht auch nur Stunden wird das Kätzchen schüchtern bis panisch in seinem Versteck oder einer dunklen Ecke sitzen und alles anfauchen, was sich ihm nähert. Zwangskontakt zum Menschen, anstarren oder anfassen helfen jetzt gar nicht. Bewegen Sie sich möglichst ruhig und leise, bieten Sie regelmäßig frisches Futter an und lassen Sie den Kleinen Zeit, sich an die völlig neue Umgebung zu gewöhnen. Wichtig ist allerdings Ihre möglichst lange Anwesenheit, denn keine Katze wird sich an einen Menschen gewöhnen, der nur ein oder zwei Stunden pro Tag in ihrer Nähe ist. (Optimal ist für die Ankunft des Familienzuwachses also ein Wochenende oder noch besser einige Urlaubstage.)
Der unglaubliche Hunger und die sprichwörtliche Neugier der kleinen Wildlinge sind übrigens Ihr bester Verbündeten im “Kampf” gegen Angst und Misstrauen. Entfernen Sie den Futterplatz immer ein bisschen weiter vom Versteck, setzen Sie sich ruhig in einiger Entfernung auf den Fußboden (dann wirken Sie nicht mehr ganz so groß und gefährlich) und warten Sie ab, was passiert. Bald werden Sie gar nicht mehr wahrgenommen, und dann können Sie Stück für Stück den Abstand zwischen sich und der Katze verringern. Aber Vorsicht, nicht anfassen, bis die Katze Ihre Annäherungsversuche ruhig erträgt, denn sonst ist all das mühsam aufgebaute Vertrauen wieder weg. Dann erst können Sie langsam mit der Hand über den Rücken streicheln oder sanft das Köpfchen kraulen.
Zusätzlich helfen zarte Spielversuche. Setzen Sie sich in der Nähe des Verstecks ruhig auf den Boden und ziehen Sie eine Kordel oder einen langen Papierstreifen über den Fußboden. Nicht aufgeben, wenn Sie minutenlang keine Reaktion erhalten, denn erst wenn die Neugier die Angst überwiegt, wird das kleine Kätzchen ein vorsichtiges Spiel beginnen. (Vorsicht, dass das Spielzeug nicht aufgefressen wird!)
Reden Sie viel, aber sehr ruhig, leise und freundlich mit Ihrem wilden Neuzugang, locken Sie ihn mit sanften Worten, leckerem Futter und interessantem Spiel. Sprechen Sie ihn immer wieder mit Namen an und ziehen Sie sich zurück, wenn er ängstlich oder panisch wirkt. Öffnen Sie nach und nach weitere Räume für ein zutraulicher wirkendes Katzenkind. Bald schon wird Ihre kleine Wildkatze Sie dann als “Ersatzmama” ansehen und sogar Ihre Nähe suchen. Dann ist es bis zur richtigen Schoßkatze nur noch ein winziger Schritt, der aber immer von der Katze aus kommen sollte. Ein scheues, sich windendes Katzenkind gegen seinen Willen festzuhalten, wird sicherlich das Gegenteil bewirken.
Es gibt keine feste Formel für die Zeit, die ein wildes Katzenkind benötigt, um seine Wildheit zu vergessen. In Abhängigkeit von Alter, den Erfahrungen mit den Menschen und den weitergegebenen Erfahrungen der Mutterkatze müssen Sie sicherlich mit einigen Tagen, in Glücksfällen nur wenigen Stunden oder schlimmstenfalls mit einigen Wochen rechnen. Einige wenige lassen sich lange nicht hochheben und kommen nicht auf den Schoß. Hilfreich ist neben viel Geduld und Liebe auch eine freundliche erwachsene Katze, die im gleichen Haushalt lebt und das Vertrauen zum Menschen ebenso wie “kätzische” Erziehung an den Wildling weitergibt. Falls Freigang für die Katze geplant ist, sollte dieser erst nach kompletter Eingewöhnung und am besten erst nach der Kastration gewährt werden, damit Ihre Katze auch immer wieder zu Ihnen zurückkommt.
Erwachsene Katzen
Auch verwilderte erwachsene Katzen werden manchmal plötzlich heimatlos, etwa weil Brachflächen wieder bebaut oder alte Industrieflächen abgerissen werden oder weil Anwohner die Katzen nicht mehr dulden wollen. Es ist schwer, für die verwilderten Katzen ein neues zu Hause zu finden, denn wer möchte schon eine Katze versorgen, die er so gut wie nie sieht?
Natürlich gibt es hier ganz nach Katzencharakter und den mit Menschen gemachten Erfahrungen Unterschiede. Auch bei den Streunern sind gutmütige und freundliche Gesellen zu finden, die gar nicht erst großartig mit der Falle gefangen müssen sondern fast “bei Fuß” mit in den Kennel gehen oder vor der Fütterung erst eine Runde Streicheleinheiten abholen. Diese Tiere warten nur auf eine neue Chance und eignen sich hervorragend zur Freilauf-Katze mit engem Familienanschluss.
Doch auch die schweren Fälle haben sicherlich nach all ihren schlimmen Erlebnissen ein freundliches und geduldiges Heim verdient. Und mit viel, sehr viel Geduld kann sich auch hier eine mehr oder weniger enge Mensch-Katzen-Beziehung aufbauen.
Natürlich ist es annähernd unmöglich, ein erwachsenes verwildertes Tier an ein Leben in der engen Wohnung zu gewöhnen. Wenn Sie aber über ein großes Grundstück verfügen, dazu über eine Unterschlupfmöglichkeit wie eine Garage oder einen Schuppen mit Einstiegsmöglichkeit (oder Katzenklappe, aber bitte ohne Klappe, denn so ein Ding hat die wilde Katze garantiert noch nie gesehen) und auch die Nachbarn nichts gegen gelegentlichen Katzenbesuch auf ihrem Grundstück haben, fassen Sie sich ein Herz und geben Sie einer oder zwei Streunekatzen ein neues Heim.
Wichtig ist, dass die Katze bevor sie zu Ihnen kommt, von einem Tierarzt untersucht wurde. Falls noch nicht geschehen, muss sie unbedingt kastriert werden. Das hält die Katze in der Nähe ihres neuen Heims und verhindert Nachwuchs, Gesangsorgien während der Paarungszeit und blutige Revierkämpfe. Außerdem können Parasiten (Würmer, Flöhe, Zecken etc.) behandelt werden und die Gesundheit wird gecheckt.
Trifft die Katze schließlich bei Ihnen ein, ist es zwingend notwendig, sie zunächst drei bis vier Wochen in einem geschlossenen Raum zu halten, der auch später ihr Unterschlupf werden kann. Das kann eine temperierte Garage, ein Schuppen oder ein Kellerraum mit Fenster sein. Wichtig ist, dass die Katze keine allzu großen Schäden anrichten kann und der Raum frostfrei (falls Ihre neue Katze im Sommer eintrifft: nicht zu heiß), nicht feucht, gut zu durchlüften, gut zu betreten und ausbruchsicher ist. Kippfenster sollten zur regelmäßigen Belüftung und aus Gewöhnungsgründen ruhig manchmal geöffnet aber auf jeden Fall und unbedingt mit einer Kippfenstersicherung gegen die garantierten (und vor allem gefährlichen) Ausbruchversuche gesichert sein. Unbedingt hinein gehören eine Kuschel- und Versteckkiste (z.B. ein mit Styropor und Decken ausgelegter Karton oder Korb), zwei große Katzentoiletten (die vielleicht zur Eingewöhnung mit Spielsand oder Blumenerde gefüllt werden können), wenn möglich einige alte Möbel (je nach Größe ein alter Sessel oder Stuhl und ein zu erkletterndes und fest an der Wand verschraubtes Regal oder ein Schränkchen), auf und hinter denen sich die Katze verstecken kann und ein oder zwei möglichst natürliche Wasserstellen.
Drei bis vier Wochen bleibt die Katze in diesem Gefängnis. Sie gewöhnt sich in dieser Zeit an Geräusche, Gerüche und sonstige Eigenschaften ihrer neuen Umgebung und an regelmäßige Futtergaben (die wichtigste vertrauensbildende Maßnahme). Füttern Sie zu möglichst regelmäßigen Zeiten, mindestens zweimal täglich und nehmen Sie sich jedes Mal Zeit, einige freundliche, leise Worte an die Katze zu richten, selbst wenn Sie sie nie sehen. Aber bitte niemals unhöflich anstarren oder gar auf die Katze zugehen. Mit Glück wird die Katze bald fressen, während Sie in der Nähe sitzen, ansonsten gewöhnt sie sich zumindest an Ihre Anwesenheit und bringt die frische Nahrung mit Ihnen in Verbindung. Aber Vorsicht, bedrängen Sie Ihre neue Katze nicht. Schlimmstenfalls wird sie sich in eine Furie verwandeln und mit Klauen und Zähnen auf sie los gehen.
Dann kommt eines Tages die Stunde der Wahrheit. Die Tür wird offen gelassen oder der Zugang geöffnet. Stellen Sie auf jeden Fall frisches Futter in die Nähe, damit die Katze einen Grund hat, wieder zu kommen. Füttern Sie regelmäßig zweimal täglich an einem festen, wettergeschützten Platz (z.B. auf der Terrasse). Bald wird Ihre neue Katze Sie zu ihren persönlichen Tageshöhepunkten erwarten und sich auch nicht stören lassen, wenn Sie in der Nähe bleiben. Liebe geht in diesem Fall immer durch den Magen. Freundliches Zureden, ruhige Bewegungen und keine Aufdringlichkeiten (plötzliche Anfassversuche und dauerndes Anstarren) entspannen die Situation zusätzlich. Den Rest erledigt die Zeit. Wenn Sie die geduldig abwarten und die Katze merkt, dass sie Ihnen wirklich vertrauen kann, dass Sie für sie sorgen und sie nicht fangen oder jagen wollen, wird sie Stück für Stück mehr Zutrauen fassen und wahrscheinlich irgendwann einen Schritt auf Sie zu machen, Köpfchen geben und um Ihre Beine streichen. Bitte keine Illusion hierüber, die Liebe gilt zunächst dem Futternapf. Das alles kann allerdings durchaus Monate dauern. Enttäuschen Sie die Katze nicht und Sie haben einen schüchternen Freund gewonnen.
Manchmal kommen die Katzen mit der Zeit sogar in die Wohnung. Vor allem die älteren Tiere oder solche, die Verletzungen oder Krankheiten auskurieren, wissen die Wärme und Bequemlichkeit eines Wohnzimmers durchaus zu schätzen.
Dennoch gibt es bei verwilderten Katzen keinerlei Garantien für einen früheren oder späteren Familienanschluss und Sie füttern schlimmstenfalls wirklich eine Katze, die Sie nicht anfassen können aber haben die Gewissheit, einer Katze eine sichere Zuflucht zu bieten.